(verpd) Ein Tierhalter haftet nicht nur für unmittelbar durch sein Tier verursachte Verletzungen eines Menschen. Die Haftung umfasst auch Fälle, in denen sich ein Mensch aufgrund eines Angriffs auf sein Tier zum Eingreifen veranlasst sieht und dabei zu Schaden kommt. So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (4 U 249/21).
Eine Frau und ihr Nachbar waren an einem Wintertag zur selben Zeit mit Schneeräumarbeiten auf ihren Grundstücken beschäftigt. Dabei lief der Hütehund des Nachbarn auf das Grundstück der Frau. Dort griff er unvermittelt ihren Kater an, indem er diesen am Kopf packte.
Als die Katzenbesitzerin auf den Vorfall aufmerksam wurde, versuchte sie, den Angriff des Hundes mit ihrem Besen zu unterbinden. Dabei rutschte sie auf einer unter dem Neuschnee befindlichen vereisten Fläche aus und kam zu Fall. Bei dem Sturz erlitt sie Verletzungen sowohl an einem ihrer Hand- als auch Kniegelenke.
Für ihre Verletzungen machte die Betroffene ihren Nachbarn verantwortlich. Denn dieser hafte wegen des Angriffs des Hundes verschuldensunabhängig aus der sogenannten Tiergefahr gemäß § 833 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Die Frau verklagte den Mann auf Schadenersatz sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.
Damit hatte die Klägerin zunächst keinen Erfolg. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Gießen war der Meinung, dass der Hundehalter nur dann wegen der Verletzungen seiner Nachbarin hätte in Anspruch genommen werden können, wenn diese selbst von dem Hund angegriffen worden wäre. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Frankfurter Oberlandesgericht nicht an. Es gab der Berufung der Klägerin statt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Katzenbesitzerin tatsächlich bei dem Versuch, die Tiere voneinander zu trennen, gestürzt sei.
Daran ändere auch die Tatsache, dass der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung klargestellt hatte, er habe lediglich gesehen, dass sein Hund Schläge bezogen hatte, nichts. Denn es gäbe keinerlei Hinweise darauf, dass die Klägerin das ihr lang vertraute Tier, mit dem sie in der Vergangenheit regelmäßig gespielt habe, ohne Grund geschlagen habe.
Das Schlagen lasse sich vielmehr mit der Schilderung der Verunglückten in Übereinstimmung bringen, dass sie den Angriff des Hundes auf ihren Kater mit dem Besen abwehren und die Tiere voneinander trennen wollte. Diese Darstellung sei auch von Zeugen bestätigt worden.
Im Übrigen bestehe eine verschuldensunabhängige Haftung eines Tierhalters auch dann, wenn eine Verletzung „adäquat kausal auf ein Tierverhalten zurückzuführen ist“. Es komme folglich nicht auf eine unmittelbar durch ein angreifendes Tier bewirkte Verletzung an. Ausreichend sei, „wenn sich ein Mensch durch die von dem Tier herbeigeführte Gefahr zu helfendem Eingreifen veranlasst sieht“, so das Frankfurter Oberlandesgericht.
Der Fall ist noch nicht endgültig ausgestanden. Denn mit der aktuellen Entscheidung hat das Berufungsgericht zunächst nur eine Haftung des beklagten Hundehalters dem Grunde nach festgestellt. Bezüglich der von der Klägerin erlittenen Verletzungen sei noch eine Beweiserhebung nötig.
Grundsätzlich belegt der Fall jedoch, wie wichtig es für Hundehalter ist, eine Tierhalterhaftpflicht-Versicherung zu haben. Denn ein Hundehalter muss die durch den Hund bei Dritten verursachten Schäden wie Schmerzensgeld- und Schadenersatz-Forderungen dann nicht aus der eigenen Tasche zahlen, da diese Police die Schadenkosten übernimmt. Eine solche Versicherung wehrt aber auch ungerechtfertigte oder überzogene Forderungen Dritter ab.