(verpd) Den meisten klar: Geräusche und Musik in einer viel zu hohen Lautstärke – das kann auch über einen Kopfhörer geschehen – können zu bleibenden Gehörschäden führen. Problematisch ist allerdings auch dauerhafter Lärm, und zwar selbst dann, wenn die Lautstärke gering ist. Eine andauernde Lärmeinwirkung, wie zum Beispiel ein ständiger Verkehrslärm, kann nämlich zu zahlreichen gesundheitlichen Problem führen, wie neue Studien belegen.
Das Hupen im Straßenverkehr, laute Motoren, der Presslufthammer an der Baustelle, der Laubbläser oder der Rasenmäher – Lärm ist für viele eine ständige und unsichtbare Bedrohung.
Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur (EUA) aus dem EUA-Bericht „Lärm in Europa – 2020“ ist derzeit mindestens jeder fünfte Europäer Lärmpegeln ausgesetzt, die als gesundheitsschädlich einzustufen sind. In Städten liegt dieser Wert noch höher, nämlich bei rund 50 Prozent, wobei der Straßenverkehr die Hauptquelle der Lärmbelastung darstellt.
In nackten Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies, dass rund 113 Millionen Menschen tagsüber, abends und nachts langfristig einem Verkehrslärmpegel von mindestens 55 Dezibel (dB(A)) aushalten müssen.
Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) hält bei einem Lärm ab dieser Höhe gesundheitliche Beeinträchtigungen für wahrscheinlich. Auch die Europäische Union schätzt eine langfristige Lärmbelastung durch diesen Pegel als zu hoch ein.
Die Zahlen der von Lärmbelästigung Betroffenen in Deutschland sind noch höher, so eine Umfrage des Umweltbundesamtes (UBA): Rund 89 Prozent klagen über eine Belästigung im eigenen Wohnumfeld, wobei drei von vier sogar mehreren Lärmquellen ausgesetzt sind.
Die größte Lärmquelle ist laut der Befragung der Straßenverkehr (75 Prozent). Dann folgt der Nachbarschaftslärm (60 Prozent), der Lärm des Flugverkehrs, der Industrie oder des Gewerbes (42 Prozent) und des Schienenverkehrs (35 Prozent) als Störfaktor in der eigenen Wohnung.
Dauerhafter Lärm kann zu Herzkreislauf-Erkrankungen führen. Dies ist lange bekannt und wissenschaftlich belegt. Nun zeigt eine neue Studie, die im Auftrag des UBA durchgeführt wurde, dass ständiger Verkehrslärm das Risiko für Depressionen erhöhen kann. So steigt bei einer Zunahme des ständigen Lärms um zehn Dezibel das Erkrankungsrisiko um bis zu elf Prozent an. Noch deutlich ist dies bei Angststörungen. Hier steigt das Risiko um bis zu 15 Prozent.
Diese Studie liefert außerdem empirische Erkenntnisse zu den langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm. So kommt die Analyse zu dem Ergebnis, dass sich das Risiko an einer Angststörung oder Depression zu erkranken in etwa verdoppelt, wenn drei oder mehr nächtliche Aufwachreaktionen auftreten, die durch Lärm – in diesem Fall war es der Lärm des Schienenverkehrs – verursacht werden.
Dirk Messner, der Präsident des UBA, betont in diesem Zusammenhang: „Lärm ist nach wie vor ein viel zu stark unterschätztes Gesundheitsrisiko in Deutschland. Viele Menschen sind hohen Lärmbelastungen ausgesetzt, die ihre Gesundheit beeinträchtigen und die Lebensqualität mindern. Unsere Städte ruhiger und damit attraktiver zu machen, ist deshalb eine wichtige Aufgabe für Wissenschaft und Politik.“
Diese Forderung ist durchaus berechtigt, denn es gibt noch weitere mögliche Langzeitfolgen. Neben Gehörschäden und Schlafstörungen sind dies laut der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) „auch Änderungen bei biologischen Risikofaktoren wie beispielsweise Blutfetten, Blutzucker, Gerinnungsfaktoren“.
Zudem können Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arteriosklerotische Veränderungen („Arterienverkalkung”), Bluthochdruck und bestimmte Herzkrankheiten, einschließlich Herzinfarkt, durch Lärm verursacht werden.
Laut Studien „hatten Menschen, die nachts vor ihrem Schlafzimmerfenster einen mittleren Schallpegel von 55 dB(A) oder mehr hatten, ein fast doppelt so hohes Risiko, wegen Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung zu sein, als diejenigen, bei denen der Pegel unter 50 dB(A) lag“, so die DGUV.
„Bereits geringe Schallpegel ab 25 Dezibel (A) (dB(A)) können zu Konzentrations- oder Schlafstörungen führen“, warnt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), wobei hier die Art der Geräusche durchaus eine wichtige Rolle spielt.
So stört ein laufender Motor häufig mehr als ein idyllischer Wildbach in der gleichen Lautstärke. Dennoch kann bereits das Ticken eines Weckers trotz der geringen Lautstärke zu Schlafstörungen führen. Es geht also auch um die subjektive Bewertung der Geräusche und des Lärms.
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass eine andauernde nächtliche Lärmbelästigung mit über 40 dB(A) das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten und psychische Erkrankungen ansteigen lässt. Am Tag birgt eine Dauerbelastung mit etwa 65 Dezibel (A) ebenfalls ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Zu diesem Ergebnis kommt das BMU auf Grundlage der Analyse von Studien.
„Nachgewiesen wurden Änderungen in Stoffwechsel und Hormonhaushalt, Änderung der Gehirnstromaktivität, aber auch schlechter Schlaf und Stresssymptome wie Hormonausschüttung. Langfristig kann dies zu hohem Blutdruck und Herzinfarkt führen“, so das BMU zu den Studien bezüglich einer stetigen Lärmbelästigung.
Dauerhafte Schäden am Gehör drohen, wenn man regelmäßig einem Lärm ab 85 dB (A) ausgesetzt ist. Wer längere Zeit beispielsweise laute Musik oder Maschinenlärm mit 120 dB (A) hört, muss mit einer bleibenden Schwerhörigkeit rechnen. Eine kurzfristige Geräuscheinwirkung mit über 137 dB (A), beispielsweise durch einen Knall, kann zu vorübergehenden Gehörschäden führen.
Dennoch beginnt ein Hörschaden meist schleichend. In den meisten Fällen lässt sich eine bereits eingetretene Schädigung des Gehörs nicht mehr heilen. Deshalb müssen Beschäftigte, die an einem Arbeitsplatz in lauter Umgebung ab 85 dB (A) tätig sind, auch einen Gehörschutz tragen. Übrigens eine Schutzmaßnahme, die auch in der Freizeit, beispielsweise beim Rasenmähen, beim Handwerken, beim Umgang mit Feuerwerkskörpern oder bei Konzertbesuchen, durchaus sinnvoll ist.
Wie schnell ein bestimmter Lärmpegel erreicht werden kann, zeigen folgende Beispiele: Die Lautstärke im Raum bei einem normalen Straßenverkehr und geschlossenem Fenster beträgt rund 55 dB (A). Ein normales Gespräch, ein laufender Fernseher oder ein Radio haben beispielsweise einen Lärmpegel zwischen 50 und 60 dB (A) und Haushaltsgeräte oder ein Rasenmäher produzieren einen Lärm von rund 70 dB (A).
Steht man am Straßenrand, hat ein einzelner vorbeifahrender Pkw rund 75 dB, ein normaler Straßenverkehr zwischen 75 und 85 dB (A) und ein Lkw sogar rund 90 dB (A). Das Läuten eines Telefons können etwa 80 dB (A), eine laufende Handkreissäge oder ein Elektrobohrhammer 85 dB (A) sowie ein Presslufthammer oder das Hören von Musik mit dem Kopfhörer je nach Lautstärke bis zu 110 dB (A) erreichen.
Bei einem Rockkonzert liegt der Lärmpegel bei rund 120 dB (A) und bei einem startenden Flugzeug bis 140 dB (A). Selbst Kinderspielzeug wie Rasseln, Quietschentchen oder elektronisches Spielzeug sowie Musikkopfhörer können 110 dB (A) und mehr erreichen.