(verpd) Fahrradfahrer sind nicht dazu verpflichtet, zu parkenden Autos einen so großen Abstand zu halten, dass deren Türen problemlos geöffnet werden können. Dies entschied das Landgericht Köln in einem jüngst veröffentlichten Urteil (5 O 372/20).
Ein Mann war auf einer viel befahrenen Straße mit seinem Rennrad an einer Reihe geparkter Fahrzeuge entlanggefahren. Dabei kollidierte er mit der Tür eines der Autos. Die war von dessen Fahrer unvermittelt geöffnet worden.
Bei dem dadurch ausgelösten Sturz wurde das Rennrad stark beschädigt. Der Radfahrer selbst erlitt erhebliche Verletzungen, die ihn bei der Ausübung seines Berufs behinderten. Er konnte außerdem eine Zeit lang keinen Sport mehr ausüben.
Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Autofahrers wollte sich nur mit einer Quote von 75 Prozent an dem Schaden des Radfahrers beteiligen. Das Argument des Kfz-Versicherers: Den Velofahrer treffe ein nicht unerhebliches Mitverschulden an dem Unfall, weil er an den parkenden Autos mit einem zu geringen Abstand vorbeigefahren sei.
Bei genügender Aufmerksamkeit hätte der Mann außerdem wahrnehmen müssen, dass der Beklagte nach dem Einparken die Tür habe öffnen wollen.
Diese Argumentation vermochte die Richter des Kölner Landgerichts nicht zu überzeugen. Sie gaben der Klage des Radfahrers auf vollständigen Ersatz des ihm entstanden Schadens sowie der Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes statt.
In der Begründung seiner Entscheidung wies das Gericht auf Folgendes hin: Ein Fahrzeugführer habe sich gemäß § 14 Absatz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) beim Ein- und Aussteigen so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei.
Unabhängig davon spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Autofahrer den Unfall verschuldet habe. Denn der Vorfall habe sich in einem unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür ereignet.
Davon, dass den Kläger ein Mitverschulden treffe, weil er angeblich mit einem zu geringen Seitenabstand an dem geparkten Fahrzeug des Beklagten vorbeigefahren sei, könne ebenfalls nicht ausgegangen werden.
Wie groß der Seitenabstand zu bemessen sei, hänge zwar von der Verkehrslage, der baulichen Situation sowie der gefahrenen Geschwindigkeit ab. In dem entschiedenen Fall müsse nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch von einem Abstand von 50 Zentimeter ausgegangen werden. Ein solcher Abstand habe angesichts der Verkehrssituation auf der viel befahrenen Straße jedoch ausgereicht.
Denn der Seitenabstand müsse in der Regel nur so bemessen werden, dass ein geringfügiges Öffnen einer (Fahrer-) Tür möglich sei. Dass der Kläger mit seinem Rennrad schneller unterwegs gewesen sei als ein durchschnittlicher Fahrradfahrer, könne ihm ebenfalls nicht vorgeworfen werden. Mit der groben Unachtsamkeit des Beklagten habe er nämlich schlichtweg nicht rechnen müssen.
Übrigens, ist man als Fahrradfahrer in einen Unfall verwickelt, hilft eine private Rechtsschutz-Police weiter. Sie übernimmt nach einer Leistungszusage des Rechtsschutz-Versicherers die Anwalts- und Prozesskosten, wenn man Schadenersatzansprüche gegenüber dem Unfallgegner geltend machen möchte.