(verpd) Nur eine Minderheit der Bevölkerung hat sich privat gegen das Risiko einer Berufs- oder Erwerbsminderung abgesichert, wie eine vor Kurzem durchgeführte Befragung belegt. Dabei sind die drohenden finanziellen Folgen enorm, wenn man aus gesundheitlichen Gründen auf unbestimmte Zeit nicht oder nur zeitlich begrenzt arbeiten kann. Doch den meisten ist nicht klar, wie wenig sie als gesetzliche Erwerbsminderungsrente erhalten, wie eine Umfrage belegt.
Nach einer aktuellen Statistik der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erhielten vergangenes Jahr fast 1,8 Millionen Personen eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Dennoch hat die Mehrheit der Verbraucher hierzulande keine Ahnung, wie sie sich vor diesem Risiko schützen kann oder warum dies notwendig ist.
Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Online-Umfrage vom 7. bis 9. Juni 2023 unter 2.041 Befragten ab 18 Jahren des Marktforschungs-Unternehmens Yougov Deutschland GmbH im Auftrag eines Lebensversicherers.
42 Prozent der Befragten haben keine Ahnung, wie hoch die Leistungen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente (EM)-Rente sind.
17 Prozent glauben, dass es 60 Prozent des letzten Nettoeinkommens sind und sechs Prozent gingen von 1.200 Euro monatlich aus. Nur ein gutes Fünftel (22 Prozent) liegt mit der Angabe „ungefähr 900 Euro pro Monat“ in etwa richtig.
Sieben Prozent gaben als Antwort „nichts“ an, was tatsächlich auch für alle zutrifft, die nicht die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Fast drei Viertel (74 Prozent) der Umfrage-Teilnehmer wussten zudem nicht, dass Berufsanfänger im Falle einer Erwerbsunfähigkeit fast überhaupt nicht abgesichert sind und im Ernstfall zu Grundsicherungs-Empfängern werden.
Einen Rentenanspruch hat nur derjenige, der wegen eines psychischen oder physischen Leidens auf unabsehbare Zeit weniger als sechs Stunden am Tag irgendeiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Zudem muss der Betroffene vor Eintritt der Erwerbsminderung bis auf wenige Ausnahmen die allgemeine fünfjährige Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) vorweisen. Des Weiteren muss er in den letzten fünf Jahren vor der Erwerbsminderung wenigstens für drei Jahre Pflichtversicherungs-Beiträge, zum Beispiel als Arbeitnehmer, entrichtet haben.
Wer die genannten Kriterien erfüllt und wegen gesundheitlicher Einschränkungen keiner oder weniger als drei Stunden am Tag irgendeiner Tätigkeit nachgehen kann, hat Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente. Kann man mindestens drei, aber weniger als sechs Stunden am Tag irgendeine Erwerbstätigkeit ausüben, steht einem höchstens eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu.
Übrigens: Wer nur seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, aber in einem anderen Job eingesetzt werden könnte, gilt nicht als erwerbsgemindert und erhält daher auch keine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente gibt es seit 2001 für alle gesetzlich Rentenversicherten, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden, nicht mehr.
Die Rentenhöhe einer vollen Erwerbsminderungsrente hängt unter anderem vom bisherigen Einkommen und den dadurch erzielten Renten-Entgeltpunkten sowie vom Jahr und dem Alter beim Renteneintritt ab. Sie berechnet sich nach der Höhe der gesetzlichen Altersrente, auf die man in einem gesetzlich festgelegten Rentenalter (maßgebliche Altersgrenze) Anspruch gehabt hätte, wenn der Verdienst weiterhin so geblieben wäre wie vor Eintritt der Erwerbsminderung.
Die Erwerbsminderungsrente entspricht damit in etwa der Regelaltersrente, abzüglich eines Abschlags von bis zu 10,8 Prozent, wenn man vor der maßgeblichen Altersgrenze erwerbsgemindert geworden ist und noch keine 35 Jahre (ab 2024: 40 Jahre) Wartezeit in der GRV vorweisen kann.
Die Altersgrenze für eine abschlagfreie Erwerbsminderungsrente betrug 2022 64 Jahre und acht Monate, 2023 sind es 64 Jahre und zehn Monate und 2024 werden es 65 Lebensjahre sein. Die teilweise Erwerbsminderungsrente ist halb so hoch wie die volle Erwerbsminderungsrente.
Wie niedrig in etwa die Erwerbsminderungsrente sein wird, lässt sich erahnen, wenn man weiß, dass aktuell die Höhe der Regelaltersrente im Schnitt bei nur rund 49 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens vor Steuern liegt. Dazu kämen dann noch eventuell Abzüge in voller Höhe von 10,8 Prozent, wenn man zum Beispiel in 2023 im Alter von unter 61 Jahren und zehn Monaten eine Erwerbsminderungsrente erstmalig erhält.
Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag, also abzüglich der Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, aber ohne Abzug einer eventuell zu zahlenden Einkommensteuer, der 163.907 Erwerbsgeminderten, die letztes Jahr erstmals eine solche Leistung erhalten haben, betrug 950 Euro. Während die Männer im Schnitt 989 Euro im Monat erhielten, lagen die Frauen bei nur 915 Euro.
Im Detail erhielten 2022 von allen erwerbsgeminderten Neurentnern über 143.300 Betroffene eine volle Erwerbsminderungsrente mit einem durchschnittlichen Rentenzahlbetrag von jeweils knapp 1.007 Euro (Männer 1.037 Euro, Frauen 978 Euro). Knapp 20.200 Personen wurde eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ausbezahlt. Die Auszahlungshöhe lag pro Rentenbezieher im Schnitt bei 556 Euro (Männer 595 Euro, Frauen 531 Euro).
Wie die statistischen Zahlen belegen, wird für die meisten mit einer teilweisen oder vollständigen Erwerbsminderung die gesetzliche Rente nicht ausreichen, um den Einkommensausfall, den eine Erwerbsminderung mit sich bringt, auch nur annähernd auszugleichen.
Zudem haben viele Selbstständige, Hausfrauen und -männer sowie Kinder, Studenten und Auszubildende im ersten Lehrjahr, bis auf wenige Ausnahmen in der Regel keinen Anspruch auf eine solche Rente. Um dieses finanzielle Risiko abzusichern, bietet die private Versicherungswirtschaft diverse passende Lösungen an.
Trotz der finanziellen Fakten ist das Risikobewusstsein gering, wie ein weiteres Umfrageergebnis belegt: Nur elf Prozent der Befragten sorgen zum Beispiel mit einer privaten Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) vor.