(verpd) Ein Autofahrer, der aus einer Parkbucht am Fahrbahnrand oder von einem Parkstreifen aus in den fließenden Verkehr einfahren will, hat sich so zu verhalten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet. Notfalls muss er sich einweisen lassen. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Viersen hervor (31 C 244/21).
Eine Frau war mit dem Pkw eines Bekannten rückwärts aus einer Parkbucht hinausgefahren. Unmittelbar vor dem Einfädeln in den fließenden Verkehr war sie mit einem von hinten kommendem Auto zusammengestoßen.
Der Halter des Wagens, den die Frau nutzte, verklagte den Pkw-Fahrer, der mit dem ausparkenden Auto kollidiert war.
Die Frau behauptete nämlich, sich im „Schutz“ einer anderen Verkehrsteilnehmerin befunden zu haben, die mit ihrem Auto darauf gewartet habe, in die freiwerdende Parkbucht einzufahren.
Dieses wartende Auto habe der Pkw-Fahrer, der mit ihr zusammenstieß, auf der Gegenfahrbahn überholt. Unmittelbar danach sei er wieder auf die rechte Fahrbahn eingeschwenkt. Dabei sei es zu der Kollision gekommen. Die Fahrerin selbst habe das Fahrzeug des Klägers zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewegt. Sie habe lediglich den ersten Gang eingelegt, weil sie im Begriff war, sich in den fließenden Verkehr einzufädeln.
Dem widersprach der belangte Autofahrer. Er behauptete, unmittelbar nach dem Überholen wieder auf die rechte Fahrbahn gefahren zu sein, wo sein Pkw von dem Wagen des Klägers hinten links getroffen worden sei. Letzterer habe sich zum Zeitpunkt der Kollision schon in einer Vorwärtsbewegung befunden.
Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Beklagten wollte dessen Mitverschulden nicht gänzlich ausschließen. Er beteiligte sich daher vorgerichtlich mit einer Quote von 30 Prozent an den unfallbedingten Aufwendungen des Klägers.
Diesem reichte das jedoch nicht aus. In seiner beim Amtsgericht Viersen eingereichten Klage forderte er, dass ihm der durch den Unfall entstandene Schaden vollständig ersetzt wird.
Ohne Erfolg: Das Gericht wies die Sache als unbegründet zurück. Es war überzeugt, dass die Fahrerin des klägerischen Pkw gegen die ihr gemäß § 10 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen hatte. Danach habe sich ein Verkehrsteilnehmer, der vom Fahrbahnrand anfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Er müsse sich erforderlichenfalls einweisen lassen.
Diese Sorgfaltspflichten hat nach Ansicht des Gerichts auch derjenige einzuhalten, der aus einer Parkbucht am Fahrbahnrand oder von einem Parkstreifen aus in den fließenden Verkehr einfahren will.
Laut Darstellung des Klägers habe sich sein Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls bereits mit allen vier Rädern und eingelegtem ersten Gang auf der Fahrbahn befunden. Dort habe sich die Fahrerin mit einem Blick in den Rückspiegel vergewissern wollen, ob rückwärtiger Verkehr nahe.
„Dies hätte sie aber bereits vor Verlassen der Parkbucht tun müssen. Sollte dies aufgrund der Sichtbehinderung durch das wartende Fahrzeug nicht möglich gewesen sein, hätte sie sich einweisen lassen müssen“, so das Gericht.
Im Übrigen habe der Beklagte das vor der Parkbucht wartende Auto nicht überholt. Er sei vielmehr lediglich an ihm vorbeigefahren. Denn es sei im Rechtssinn nicht Teil des fließenden Verkehrs gewesen. Daher könne dem Beklagten auch nicht der Vorwurf gemacht werden, gegen § 5 Absatz 3 Nummer 1 StVO verstoßen zu haben, der ein Überholen bei unklarer Verkehrslage verbiete.
Hinter dem Verstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs trete die Betriebsgefahr des Autos des Beklagten vollständig zurück. Der Kläger sei daher mit dem von dem gegnerischen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer gezahlten Betrag gut bedient.