(verpd) Einem Geschädigten steht für die Zeit der unfallbedingten Reparatur seines Fahrzeugs auch dann die Nutzungsausfall-Entschädigung zu, wenn er möglicherweise ein Auto eines Familienangehörigen hätte nutzen können. Das hat das Landgericht Chemnitz mit einem Urteil (2 O 1207/22) entschieden.
Ein Pkw war bei einem durch einen Dritten verschuldeten Verkehrsunfall erheblich beschädigt worden. Dessen Kfz-Haftpflichtversicherer erklärte sich zwar zu einer Regulierung des Schadens bereit. Streit gab es jedoch unter anderem bezüglich der Zahlung einer von dem Geschädigten geforderten Nutzungsausfall-Entschädigung.
Denn anders, als von einem Sachverständigen prognostiziert, musste der Geschädigte auf sein Fahrzeug nicht maximal acht, sondern 42 Tage verzichten. Der Grund dafür war, dass der bei dem Unfall beschädigte vordere Stoßfänger ausgetauscht werden musste. Dieser konnte jedoch nicht zeitnah geliefert werden.
Der Kfz-Versicherer des Unfallverursachers war der Meinung, dass der Geschädigte in Erfüllung seiner Schadenminderungs-Pflicht sein Fahrzeug bis zum Eintreffen des Ersatzteils notfalls mit dem beschädigten oder ohne den Stoßfänger hätte nutzen müssen.
Im Übrigen habe seine Ehefrau ebenfalls über einen Pkw verfügt. Den hätte er auch nutzen können. Ihm stehe daher keine Nutzungsausfall-Entschädigung zu.
Diese Argumentation ließ das von dem Unfallopfer angerufene Chemnitzer Landgericht nicht gelten. Es verurteilte den Versicherer dazu, dem Kläger den ihm entstandenen Ausfallschaden für die kompletten 42 Tage, an denen er auf sein Fahrzeug verzichten musste, zu ersetzen.
Selbst wenn dem Geschädigten während dieser Zeit das Fahrzeug seiner Ehefrau zur Verfügung gestanden hätte, so stehe das einem Anspruch auf Zahlung der Nutzungsausfall-Entschädigung nicht entgegen.
Denn ein Schädiger werde nach ständiger Rechtsprechung nicht durch eine freiwillige Leistung Dritter entlastet, „die ihm nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften nicht zugutekommen soll. Dies gilt auch für einen Nutzungsausfallschaden“ – so das Gericht.
Im Übrigen würden Verzögerungen bei der Durchführung einer Reparatur so lange nicht zu Lasten eines Geschädigten gehen, wie er sie nicht zu vertreten habe. Daher müsse er sich selbst ein Verschulden seiner Werkstatt nicht zurechnen lassen. Denn diese gelte nicht als sein Erfüllungsgehilfe.
Dem Kläger könne auch nicht vorgeworfen werden, sich nicht ausreichend um den Fortgang der Reparatur seines Fahrzeugs gekümmert zu haben. Denn seine Ehefrau habe sich regelmäßig bei der Werkstatt nach dem Stand der Dinge erkundigt.
Es ist außerdem fraglich, ob eine gefahrlose Benutzung des Fahrzeugs mit dem beschädigten Stoßfänger möglich gewesen wäre. Als technischer Laie habe der Geschädigte wenigstens nicht davon ausgehen müssen, sein Auto in diesem Zustand gefahrlos nutzen zu können.
Das sei ihm zudem schon wegen der Möglichkeit rechtlicher Nachteile im Fall einer Überprüfung des Fahrzeugs durch die Polizei oder eines möglicherweise weiteren Unfalls nicht zumutbar gewesen.
Übrigens kann ein Kfz-Halter mittels einer bestehenden Verkehrsrechtsschutz-Versicherung ohne Kostenrisiko sein Recht vor Gericht gegenüber dem Unfallgegner und dessen Kfz-Versicherung einfordern. Eine derartige Police deckt, wenn der Versicherer eine Deckungszusage erteilt hat, unter anderem die für die Durchsetzung von berechtigten Schadenersatz- und Schmerzensgeld-Ansprüchen notwendigen Anwalts- und Prozesskosten ab.