Psychisches Trauma als Flugpassagier

(verpd) Eine Fluggesellschaft haftet auch für negative psychische Folgen, die ein Passagier im Rahmen einer Evakuierung eines Flugzeugs erleidet. Diese Rechtsauffassung hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in einem Schlussantrag zu einem Vorabentscheidungs-Ersuchen des Obersten Gerichtshofs Wiens vertreten (C-111/21).

Eine Flugpassagierin wollte von London nach Wien fliegen. Weil beim Start das linke Triebwerk des Flugzeugs explodierte, wurde sie zusammen mit den übrigen Flugzeuginsassen über einen Notausstieg am rechten Flügel der Maschine evakuiert. Dabei wurde sie infolge des sogenannten Jetblast-Effekts des rechten Triebwerks, das zu diesem Zeitpunkt noch in Bewegung war, mehrere Meter durch die Luft geschleudert.

Durch den Vorfall erlitt die Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie leidet an Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, plötzlichen Weinanfällen, starker Müdigkeit sowie Stottern und muss ärztlich behandelt werden. Sie verklagte daraufhin die Fluggesellschaft auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Posttraumatische Belastungsstörung

Der mit der Klage der Passagierin befasste Oberste Gerichtshof Wien hat den Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang um eine Auslegung des Montrealer Übereinkommens ersucht.

Denn danach hat eine Fluggesellschaft einen Schaden zu ersetzen, den ein Fluggast bei einem Unfall an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen erleidet und bei dem er getötet oder körperlich verletzt wird.

Das Wiener Gericht will nun wissen, ob der Begriff „körperlich verletzt“ eine Beeinträchtigung psychischer Art umfasst, die zwar Krankheitswert erreicht, jedoch nicht die Folge einer Körperverletzung im engeren Sinne ist.

Grünes Licht vom Generalanwalt

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs ist der Meinung, dass der Begriff „körperlich verletzt“ eine infolge eines Unfalls erlittene Beeinträchtigung der psychischen Unversehrtheit umfasst. Dies treffe unabhängig vom Vorliegen einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit eines Reisenden zu.

Das gelte zumindest dann, wenn das psychische Leiden durch ein ärztliches Gutachten festgestellt werde und eine medizinische Behandlung erfordere. Denn die Entstehungsgeschichte des Montrealer Übereinkommens ließe den festen Willen erkennen, die „psychische Verletzung“ ebenso wie die „Körperverletzung“ im engeren Sinne zu entschädigen.

„Es erscheint heute wesentlich, den Begriff der ‚Körperverletzung‘ so auszulegen, dass neben der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit die Beeinträchtigung der psychischen Unversehrtheit anerkannt wird, wenn sie die Fähigkeit der betroffenen Person beeinträchtigt, ihren Körper oder Geist bei der Ausübung ihrer bisherigen Aufgaben zu verwenden“, so der Generalanwalt in seinem Schlussantrag.

Genauso verheerend wie die Körperverletzung selbst

Denn jedes außergewöhnliche Ereignis, das von einer Person als ernste und unmittelbare Lebensbedrohung empfunden werde, wie etwa eine Naturkatastrophe, ein Terroranschlag, ein schwerer Verkehrsunfall oder ein Angriff, könne ein Trauma darstellen. Dieses sei zwar psychologischer Natur, aber genauso real und verheerend wie die Körperverletzung selbst.

Diese psychischen Beeinträchtigungen nicht in den Begriff der „Körperverletzung“ einzubeziehen, wäre nach Ansicht des Generalanwalts überholt und unhaltbar.

Kostenschutz bei Rechtsstreitigkeiten als Fahrgast

Übrigens, in den Fällen, in denen ein Fußgänger oder ein Fahrgast, egal ob im Bus, im Zug oder im Flugzeug, bei einem Unfall verletzt wird und er Schmerzensgeld und Schadenersatz gegenüber dem Unfallverursacher einfordern will, hilft eine private Rechtsschutz-Versicherung weiter.

Denn eine solche Police übernimmt – eine Leistungszusage des Versicherers vorausgesetzt – unter anderem die Anwalts- und sonstigen Prozesskosten für einen solchen Rechtsstreit. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Rechtsstreit gewonnen wird, sondern auch, wenn man den Prozess verliert.

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