(verpd) Frauen können sich, auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, nur etwas mehr als halb so viel Bruttoeinkommen erarbeiten wie Männer. Verheiratete Frauen können diese Lücke in ihren verfügbaren Lebenseinkommen schließen – wenn sie in traditionellen Rollen durch das Partnereinkommen abgesichert sind. Alleinerziehenden, die auf eigene Erwerbstätigkeit angewiesen sind, fällt es deutlich schwerer, ihren Lebensstandard zu sichern. Das sind die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung.
Die Bertelsmann Stiftung hat den dritten Teil der von ihr geförderten Studienreihe „Wer gewinnt? Wer verliert? Die Absicherung von Lebenseinkommen durch Familie und Staat“ jüngst veröffentlicht. Die Publikation wurde erstellt von Forscherteams der Freien Universität Berlin und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Die Studienreihe ermittelt die Gewinner und Verlierer des strukturellen Wandels auf dem Arbeitsmarkt und analysiert ihre Einkommensentwicklungen über das gesamte Leben hinweg.
Sie geht über die Momentaufnahme aus dem Jahr 2020 hinaus, dass der durchschnittliche Brutto-Stundenverdienst von Frauen 18 Prozent unter dem der Männer liegt. Die Studienautoren zeigen, dass die Lücke zwischen den Brutto-Lebenserwerbseinkommen noch wesentlich größer ist. Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet verdienen nach ihren Erkenntnissen Frauen nur etwas mehr als halb so viel wie Männer.
Der dritte Teil der Studienreihe erweitert die vorangehenden Analysen. Neben dem eigenen Erwerbseinkommen im Haupterwerbsalter zwischen dem 20. und 55. Lebensjahr zwischen den Geburtskohorten 1964 und 1985 werden auch die Familienkonstellation sowie der Sozialstaat mit seinem Steuer-, Abgaben- und Transfersystem einbezogen.
Daraus ergibt sich das äquivalente verfügbare Lebenseinkommen, mit dem die Experten den Begriff des Lebensstandards definiert haben.
Zusätzlich werden die äquivalenten verfügbaren Lebenseinkommen auch mit Blick auf Unterschiede zwischen Bildungsniveaus sowie auf Trends in der Einkommensverteilung untersucht.
Das Ergebnis: Bewegen sich Frauen beziehungsweise Mütter im traditionellen Familienbild der Ehe, fängt das Einkommen des Partners eigene Einkommensausfälle infolge von Erwerbsunterbrechungen, beispielsweise durch Kindererziehungszeiten, auf – vorausgesetzt, das Einkommen wird gleichmäßig zwischen den Eheleuten aufgeteilt.
Der Staat fördert das Familienmodell gezielt, unter anderem durch das Ehegattensplitting oder die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung.
Verheiratete Mütter und Väter kommen so auf ein äquivalentes verfügbares Lebenseinkommen von jeweils fast 700.000 Euro.
Alleinerziehende dagegen – meist Frauen – sind in einem größeren Maße auf ihre eigene Erwerbstätigkeit und direkte staatliche Transferleistungen wie Sozialhilfe, Kindergeld, Kinderzuschlag und/oder Elterngeld angewiesen. Die staatlichen Transferleistungen kompensieren zwar für die Dauer des Bezugs Ausfälle des Erwerbseinkommens in gewissem Rahmen. Sie reichen aber nicht aus, um den durch Erwerbsunterbrechung und Arbeitszeitreduzierung entstehenden Nachteil über das gesamte Arbeitsleben auszugleichen, schreiben die Autoren.
Dadurch steht Alleinerziehenden mit rund 521.000 Euro ein deutlich geringeres äquivalentes verfügbares Lebenseinkommen inklusive Transferleistungen zur Verfügung als verheirateten Müttern – sie haben laut Studie rund 696.000 Euro Lebenseinkommen zur Verfügung. Die Einbußen der Alleinerziehenden liegen im Vergleich zu den verheirateten Müttern durchschnittlich damit bei rund 25 Prozent.
Auch Mütter, die über einen längeren Zeitraum verheiratet waren und sich nach der Trennung um die Kinder kümmern, hinken hinterher. Das verfügbare Lebenseinkommen von heute teilweise (weniger als die Hälfte der Erziehungszeit) alleinerziehenden Müttern, die aktuell Mitte 30 sind, liegt am Ende des Erwerbslebens bei 625.000 Euro. Es ist damit rund zehn Prozent niedriger als das der verheirateten Mütter.
Die Zahlen zeigen den Experten zufolge, dass Alleinerziehende zunehmend auf Transferleistungen angewiesen sind.
Der Anteil solcher Leistungen am gesamten Lebenseinkommen ist bei jüngeren, teilweise alleinerziehenden Müttern des Jahrgangs 1985 im Vergleich zu älteren Müttern des Jahrgangs 1964 von fünf auf neun Prozent gestiegen. Für überwiegend Alleinerziehende sogar von zehn auf 17 Prozent.
Gleichzeitig ist der Anteil des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gesunken. Alleinerziehende sind nur bedingt in der Lage, zu den verheirateten Müttern aufzuschließen, so die Studienautoren.
„Aus diesen Erkenntnissen folgt klarer Handlungsbedarf für die Politik“, heißt es weiter in der Studie. Insbesondere die Kombination aus Ehegattensplitting und den steuer- und abgabenfreien Minijobs setze starke Anreize für eine traditionelle Rollenaufteilung in der Ehe, in der die Frau weniger Erwerbsarbeit und dafür mehr Sorgearbeit übernimmt als der Mann.
Aus dieser nach wie vor weitverbreiteten Konstellation resultiere eine hohe Abhängigkeit der Frau vom Einkommen des Mannes. Bei Trennung und im Alter seien es dann zumeist Ehefrauen und insbesondere Mütter, die gravierende finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssten.
Auch familienpolitische Institutionen sollten auf die universellere Absicherung unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten ausgerichtet sein. Eine verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung sowie eine größere finanzielle Unterstützung für Kindererziehungszeiten stellten dabei wichtige Grundpfeiler dar.
Übrigens, Informationen, welche Leistungen wie zum Beispiel Transferleistungen Alleinerziehenden und Familien zustehen, enthält das Webportal familienportal.de des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Frauen und Jugend (BMFSFJ).
Unter www.infotool-familie.de, einem anderen Webportal des BMFSFJ, gibt es ein Onlinetool, mit dem sich in wenigen Schritten die Familienleistungen und/oder -hilfen ermitteln lassen, auf die man entsprechend der persönlichen Situation voraussichtlich Anspruch hat.
Auch für Alleinerziehende empfiehlt sich ein Beratungsgespräch mit einem Versicherungsfachmann, denn zum einen gilt es existenzielle Risiken wie eine Berufsunfähigkeit abzusichern, zum anderen kann der Experte auf mögliche Sparpotenziale im Versicherungsbereich hinweisen.