(verpd) Bei einem Unfall, der sich dadurch ereignet, dass ein Fahrzeugführer ein anderes Auto innerorts rechts auf einer Rechtsabbiegerspur überholt, spricht der Beweis des ersten Anscheins in der Regel für ein Fehlverhalten des Überholenden. Das gilt erst recht, wenn sich die Kollision im Rahmen einer unklaren Verkehrslage ereignet hat. So entschied das Amtsgericht Siegburg in einem Urteil (123 C 152/22).
Eine Frau befuhr mit ihrem Pkw eine innerstädtische Straße. Von hier aus wollte sie im Bereich einer durch Ampeln geschützten Kreuzung nach links abbiegen. In dem Bereich gab es eine Rechtsabbiegerspur und eine Fahrspur, die sowohl für den Geradeausverkehr als auch für Linksabbieger gedacht war.
Die Ampel stand für die Autofahrerin auf Grün. Weil sich jenseits der Kreuzung der Verkehr staute, verzichtete sie aber zunächst darauf, in die Kreuzung einzufahren. Erst als sich der Stau aufzulösen begann und die Ampel in ihrer Fahrtrichtung immer noch Grün zeigte, fuhr sie mit gesetztem linkem Blinker an.
In diesem Augenblick wurde sie rechts von einem anderen Autofahrer überholt. Der hatte für das Überholmanöver die Rechtsabbiegerspur genutzt, obwohl er wie seine Unfallgegnerin ebenfalls nach links abbiegen wollte. Bei dem Überholmanöver kollidierten die beiden Fahrzeuge.
Die Frau verklagte daraufhin den Autofahrer auf Schadenersatz. Der Beklagte machte allerdings die Klägerin für den Unfall verantwortlich. Denn er behauptete, dass es nur deswegen zu einer Kollision gekommen sei, weil die Frau im letzten Augenblick offenkundig nach rechts anstatt nach links abbiegen wollte und daher ihr Fahrzeug nach rechts gelenkt habe.
Diese Argumentation vermochte das Siegburger Amtsgericht nicht zu überzeugen. Es gab der Schadenersatzklage der Linksabbiegerin statt.
Nach Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte bei seinem Fahrmanöver unter anderem gegen § 5 Absatz 3 (1) StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen. Denn der verbiete ein Überholen bei einer unklaren Verkehrslage.
Das gelte erst recht beim Rechtsüberholen. Denn der von dem Beklagten genutzte Fahrstreifen für Rechtsabbieger sei grundsätzlich nicht dazu gedacht, Fahrzeuge auf einer links daneben befindlichen Fahrbahn für den Geradeausverkehr zu überholen.
Im Übrigen würde auch die Art der Beschädigungen der beiden Fahrzeuge für eine schuldhafte Unfallverursachung durch den Beklagten sprechen. Denn diese ließen darauf schließen, dass er das Fahrzeug der Klägerin bei seinem Fahrmanöver quasi geschnitten habe.
Dem Beklagten sei es außerdem nicht gelungen, den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins, den Unfall allein verursacht zu haben, zu entkräften.
Tipp: Wie der Fall zeigt, gibt es bei Verkehrsunfällen immer wieder Streit darüber, wer die Hauptschuld am Unglück trägt und damit für die entstandenen Schäden haften muss. Gibt es bezüglich der Haftungsfrage Probleme, hilft eine bestehende Verkehrsrechtsschutzversicherung weiter. Denn sie übernimmt, wenn der Versicherer eine Leistungszusage gibt, die Kosten für die Geltendmachung der eigenen Schadenersatzansprüche beim Unfallgegner per Anwalt und wenn nötig auch vor Gericht.