(verpd) Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort soll bei reinen Sachschäden künftig keine Straftat mehr sein. Dies sieht ein Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz vor. Die Versicherer sehen die Pläne kritisch und drängen darauf, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken. Bei einer Neuregelung müsse auch der Verkehrsopferschutz gewährleistet bleiben.
Aktuell gilt, wer als Kfz-Fahrer, Radfahrer oder Fußgänger an einem Unfall beteiligt ist und flüchtet, begeht eine Straftat. Gemäß § 142 StGB (Strafgesetzbuch) muss nämlich ein Unfallbeteiligter bis zur „Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung“, also der für die Aufklärung des Unfalls notwendigen Daten, am Unfallort bleiben.
Auch wer einen Unfall verursacht, bei dem kein anderer anwesend ist, beispielsweise ein parkendes Auto anfährt, muss eine angemessene Zeit warten, bis der Fahrer des beschädigten Fahrzeugs kommt. Wie lange man warten sollte, hängt von den Umständen wie Tageszeit, Ort und Schadensausmaß ab.
Kommt der Geschädigte nicht innerhalb der Wartezeit, muss der Unfall umgehend der Polizei gemeldet werden. Der Unfallverursacher hat außerdem seinen Namen und seine Anschrift am Unfallort zu hinterlassen. Nur in absoluten Notfällen ist es erlaubt, sich von der Unfallstelle zu entfernen, zum Beispiel um Hilfe für Verletzte zu holen oder eine Gefahrenquelle zu beseitigen.
Künftig sollen nach Plänen des Bundesministeriums für Justiz (BMJ) Unfälle mit Fahrerflucht allerdings nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden, wenn zwar ein Sachschaden vorliegt, aber keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Dies meldet das Redaktionsnetzwerk Deutschland, ein Nachrichtenportal, das diverse Tageszeitungen mit überregionalen journalistischen Inhalten beliefert.
„Durch die Herabstufung der Unfallflucht nach reinen Sachschäden zur Ordnungswidrigkeit würde einer undifferenzierten Kriminalisierung des Unfallverursachers entgegengewirkt“, heißt es in einem Eckpunktepapier, das dem Nachrichtenportal vorliegt. Das von Bundesminister Marco Buschmann geführte BMJ hat das Schreiben an Fachverbände mit der Bitte um Stellungnahme verschickt.
Unfallflucht ist ein häufiges Streitthema vor Gericht, auch in Bezug auf Versicherungsleistungen. Derzeit müssen Unfallbeteiligte eine „angemessene Zeit“ am Unfallort warten. Anderenfalls drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Dies soll in Zukunft nur noch bei Personenschaden gelten.
Sobald es körperlich Geschädigte gebe, sei es stets erforderlich, „am Unfallort zu verbleiben und sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben“, wird aus dem Papier zitiert. Das gelte „trotz der mit der Selbstanzeige des Unfalls verbundenen Selbstbezichtigung einer gegebenenfalls mitverwirklichten Begleittat“, bespielweise einer Trunkenheitsfahrt.
Vor diesem Hintergrund gebe es umgekehrt gute Argumente dafür, von einer Strafbewehrung der unterlassenen Selbstanzeige des Unfalls bei reinen Sachschäden abzusehen. § 142 StGB (Strafgesetzbuch) durchbreche nämlich das Prinzip der „Straflosigkeit der Selbstbegünstigung“.
Wer also künftig unter Alkoholeinfluss einen Unfall ohne Personenschäden verursacht, soll rechtlich nicht mehr gezwungen sein, am Unfallort zu bleiben und eine Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer zu riskieren. Buschmann denkt als Alternative über eine Meldepflicht und eine Meldestelle in Form einer standardisierten Onlinemaske nach.
Die Versicherer sieht die Pläne des Justizministers kritisch. In einer Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) heißt es, die Versicherer würden bei der geplanten Neuregelung von Unfallfluchtdelikten darauf drängen, die Möglichkeiten der Beweissicherung nicht einzuschränken.
„Unfallursache und -hergang müssen sich zweifelsfrei feststellen lassen“, wird der GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zitiert. Das gelte beispielsweise für die Frage, ob Alkohol oder Drogen mit im Spiel waren. „Die Fahrtüchtigkeit des Unfallverursachers kann nur unmittelbar nach dem Unfall festgestellt werden“, so Asmussen.
Bei einer Neuregelung müsse auch der Verkehrsopferschutz gewährleistet bleiben. „Fahrerflucht darf nicht dazu führen, dass Unfallopfer auf ihren Sachschäden sitzen bleiben“, sagt der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Wenn sich der Verursacher nicht ermitteln lasse, müssten Geschädigte ihren Schaden entweder selbst tragen oder über ihre eigene Kfz-Kaskoversicherung abrechnen. Dann würde der Geschädigte in der Vollkaskoversicherung zurückgestuft und damit sein Schadenfreiheitsrabatt belastet. Außerdem wird eine gegebenenfalls vereinbarte Selbstbeteiligung von der Entschädigung abgezogen, gibt der GDV zu Bedenken.