Wann eine Verletztenrente wieder entzogen werden kann

(verpd) Ein Arbeitnehmer erhielt zehn Jahre nach einem Arbeitsunfall, eine Verletztenrente von der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund einer unfallbedingten Erwerbminderung zugesprochen. Bei einem Gerichtsstreit wurden dem Verunfallten nicht nur rückwirkende Rentenzahlungen verweigert, sondern er verlor sogar den kompletten Rentenbezug. Der Fall zeigt zum einen, dass auch nach einer Rentenbewilligung der Entzug der Verletztenrente drohen kann. Zum anderen belegt er, wie leicht Betroffene Verjährungsfristen verpassen können, wenn sie irrtümlich glauben, dass ein laufendes Verwaltungsfahren automatisch zu einer Hemmung der Verjährung führt.

Ein als Krankenpfleger tätiger Arbeitnehmer, verunfallte am 16. Mai 2004 als Fahrer eines Pkws auf dem Weg zu einem Notfalleinsatz. Im Unfallwagen waren zudem zwei Notärzte. Der Krankenpfleger erlitt bei dem Unfall leichte körperliche Verletzungen. Allerdings musste er mitansehen, wie einer der beiden Notärzte mit dem Kopf unter Wasser lag. Zwar holte er ihn aus dem Fahrzeug und versuchte, ihn zu reanimieren, dennoch erlag der Arzt seinen Verletzungen.

Der Krankenpfleger arbeitete drei Wochen nach dem Unfall wieder. Er begann jedoch aufgrund der traumatischen Erlebnisse im Juli 2004 eine psychotherapeutische Behandlung. 2005 stellten die behandelnden Ärzte eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) fest. 2008 bewilligte die Unfallkasse, als zuständiger als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, insgesamt weitere 75 Sitzungen Psychotherapie.

In ihrem Abschlussbericht im Jahr 2010 stellte die behandelnde Psychotherapeutin fest, dass es keine Anzeichen und keine Symptome einer PTBS mehr gebe. Zudem wurde keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festgestellt.

Rentenbewilligung zehn Jahre nach Arbeitsunfall

Im Februar 2014 nahm der Krankenpfleger jedoch erneut psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch. Kostenträger war zunächst die Krankenkasse. Die Unfallkasse erfuhr erst im Juni 2015 aufgrund eines Erstattungsanspruchs der Krankenkasse von diesen Behandlungen. Die Unfallkasse holte sich daraufhin von der behandelnden Psychotherapeutin ein Gutachten ein, das 2016 erstellt wurde.

Darin wurde bestätigt, dass der Kläger immer noch aufgrund des Unfalles an PTBS leide und bei ihm seit dem Unfalltag eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 Prozent vorliege. Daraufhin bewilligte die Unfallkasse dem Kläger mit einem Bescheid von 2017 ab dem 14. Februar 2014 eine entsprechende Verletztenrente auf unbestimmte Zeit. Grundsätzlich besteht ein derartiger Rentenanspruch erst bei einer Erwerbsminderung von mindestens 20 Prozent.

Der Krankenpfleger reichte gegen den Rentenbeginn einen Widerspruch ein und forderte eine Rentenzahlung ab dem Zeitpunkt des Unfalles, also ab den 16. Mai 2004. Dies lehnte die Unfallkasse ab, da keine entsprechenden Berichte über weitere psychotherapeutische Behandlungen vorlagen. Der Betroffene klagte gegen diese Entscheidung und verlor beim zuständigen Sozialgericht (SG) Speyer.

Rentenentzug aufgrund eines zweiten Gutachtens

Das SG wies mit seinem Urteil vom 5. Dezember 2020 (S 20 U 129/18) die Klage ab. Es stellte auf Grundlage eines in 2020 vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachtens fest, dass der Kläger zwar unter einer unfallbedingten PTBS leide, diese aber keine Erwerbsminderung von mindestens 20 Prozent bedinge. Daraufhin entzog die Unfallkasse im gleichen Jahr der Urteilssprechung mit einem Bescheid die zuvor gewährte Rente.

Der Krankenpfleger legte gegen das Urteil des SG eine Berufung ein – und hatte wieder keinen Erfolg. Das zuständige Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz entschied am 15. Juni 2021 (L 3 U 225/20), dass der Entziehungsbescheid der Unfallkasse vom Jahr 2020 nicht Gegenstand des LSG-Gerichtsverfahrens ist, da es sich nicht um denselben Streitgegenstand wie vor dem SG handelte.

Gegenstand des Gerichtsverfahrens vor dem SG und damit auch bei der Berufung vor dem LSG ist der damalige Rentenbescheid der Unfallkasse aus dem Jahr 2017 mit Rentenbeginn 2014. Das LSG kam zu dem Schluss, dass für die Zeit vor dem Jahr 2011 die Unfallkasse wirksam die Verjährungseinrede erhoben habe, sodass eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für diesen Zeitraum und damit für einen rückwirkenden Rentenanspruch nicht erforderlich sei.

Gemäß § 45 Absatz 1 SGB I (Erstes Sozialgesetzbuch) verjähren nämlich Ansprüche auf Sozialleistungen nach vier Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind, wie das LSG betont. Da die Unfallkasse bis 2010 die Behandlungskosten für die PTBS, die im genannten Jahr als vollständig remittiert galt, erbrachte, endete Ende 2010 auch die Verjährung.

Ein laufende Verwaltungsverfahren unterbricht die Verjährung nicht

Zwar wäre eine Hemmung der Verjährung möglich gewesen, wenn ein schriftlicher Antrag gestellt worden wäre, doch einen solchen Antrag des Klägers gibt es laut den Akten nicht. Auch in der Revision vom 26. September 2024 bestätigte das Bundessozialgericht die Rechtsauffassung der Vorinstanzen (B 2 U 1/22 R).

„Die beklagte Unfallkasse ist nach Erhebung der Verjährungseinrede im Jahr 2018 berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Verjährungsfrist begann jeweils ohne bescheidmäßige Feststellung mit der Entstehung der Rentenansprüche zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zu laufen. Die Verjährung trat für die hier noch streitbefangenen Ansprüche spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2014 ein“, wie das Bundessozialgericht ausführt.

Tatbestände, die den Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist rechtmäßig gehemmt hätten, liegen nicht vor. Auch das laufende Verwaltungsverfahren führte nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung. Im Unfallversicherungsrecht wird die Leistung oft automatisch zur Beweissicherung gewährt, ohne dass ein schriftlicher Antrag notwendig ist. Dennoch hätte der Kläger einen solchen Antrag stellen müssen, um die Verjährung zu hemmen – was er jedoch nicht getan hat.

Das Gericht sah auch keinen Rechtsmissbrauch oder Ermessensfehler seitens der Unfallkasse. Es wurde festgestellt, dass kein Fehlverhalten vorlag und dass der Kläger durch die lange Dauer der Verfahrensbearbeitung nicht daran gehindert wurde, seine Rechte wahrzunehmen.

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