(verpd) Ein Kläger in einem finanzgerichtlichen Verfahren hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung, wenn sich der Rechtsstreit wegen der Covid-19-Pandemie unüblich lange hinzieht. Das hat der Bundesfinanzhof mit einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil vom 27. Oktober 2021 entschieden (X K 5/20).
Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, ist gemäß § 198 GVG angemessen zu entschädigen.
Bei der Frage nach einer angemessenen Dauer von finanzgerichtlichen Verfahren geht der Bundesfinanzhof (BFH) im Regelfall von folgender Vermutung aus. So muss der Finanzrichter bei einem typischen durchschnittlichen Klageverfahren gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage konsequent auf die Erledigung des Verfahrens hinwirken.
Andernfalls steht einem Verfahrensbeteiligten für jeden einzelnen Verzögerungsmonat eine Entschädigung von 100 Euro zu. Voraussetzung für einen Anspruch ist lediglich, dass er die Verzögerung rechtzeitig gerügt hat.
In dem entschiedenen Fall war der Kläger wegen seiner Meinung nach fehlerhafter Umsatzsteuerbescheide gerichtlich gegen das Finanzamt vorgegangen. Nachdem über die Klage innerhalb von zwei Jahren immer noch nicht entschieden worden war, sprach er eine entsprechende Rüge aus. Acht Monate danach wurde das Verfahren schließlich mit Zustellung eines Urteils beendet.
In einem weiteren Verfahren beanspruchte der Mann anschließend die Zahlung einer Entschädigung wegen der seines Erachtens nach unangemessen langen Verfahrensdauer.
Ohne Erfolg. Der Bundesfinanzhof wies die Klage als unbegründet zurück.
Nach Ansicht des BFH kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer zwar nicht mit Hinweis auf eine chronische Überlastung der Gerichte, verursacht durch länger bestehende Rückstände oder eine angespannte Personalsituation, gerechtfertigt werden.
Um einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zu haben, müssten die verfahrensverzögernden Umstände aber zumindest innerhalb des staatlichen beziehungsweise dem Staat zurechenbaren Einflussbereichs liegen. Davon könne in dem entschiedenen Fall nicht ausgegangen werden.
Nach Überzeugung der Richter beruhte die mehrmonatige Verzögerung des Ausgangsverfahrens nämlich auf Einschränkungen des finanzgerichtlichen Sitzungsbetriebs ab März 2020. Diese seien Folge von Schutzmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie gewesen.
Es habe sich folglich nicht um ein spezifisch die Justiz betreffendes Problem gehandelt. Andere öffentliche und private Einrichtungen und Betriebe seien nämlich ebenfalls von den Maßnahmen betroffen beziehungsweise betroffen gewesen.
„Die Corona-Pandemie ist jedenfalls zu Beginn als außergewöhnliches und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands beispielloses Ereignis anzusehen, das weder in ihrem Eintritt noch in ihren Wirkungen vorhersehbar war. Von einem Organisations-Verschulden der Justizbehörden im Hinblick auf die Vorsorge für die Aufrechterhaltung einer stets uneingeschränkten Rechtspflege kann daher nicht ausgegangen werden“, so der Bundesfinanzhof.