Wann wiederholtes Zuspätkommen den Job kostet

(verpd) Kommt ein Arbeitnehmer an drei von vier aufeinanderfolgenden Arbeitstagen erheblich zu spät oder gar nicht zur Arbeit, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls den Rückschluss auf ein hartnäckiges und uneinsichtiges Fehlverhalten zulassen. In so einem Fall ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auch bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis keine Abmahnung erforderlich. So das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einem Urteil (Az.: 1 Sa 70 ö/D/21).

Eine Beschäftigte war seit 2006 im Rahmen einer Dreitagewoche montags, mittwochs und freitags jeweils acht Stunden in der Poststelle eines Sozialgerichts tätig. An diesen Tagen war sie die einzige Mitarbeiterin in dem Bereich. In den Jahren 2018 und 2019 wurde sie dabei beobachtet, wie sie wiederholt zum Rauchen das Gerichtsgebäude verließ, ohne sich wie vorgeschrieben auszustempeln. Deswegen wurde sie ebenso abgemahnt wie für ein deutlich verspätetes Erscheinen zu einer internen dienstlichen Fortbildung.

Am Montag, 21. Oktober 2019, erschien sie zunächst nicht zur Arbeit. Gegen 10.20 Uhr rief sie dann ihren Vorgesetzten an und teilte ihm mit, verschlafen zu haben. Sie versicherte ihm, dass dies nicht mehr vorkommen werde und bot ihm an, den Tag als Urlaubstag anzurechnen. Am darauffolgenden Freitag teilte sie um 11.30 Uhr telefonisch mit, erneut verschlafen zu haben. Sie erschien dann um 14.30 Uhr zum Dienst und arbeitete bis 18.30 Uhr. Als sie am Montag darauf wieder zu spät zur Arbeit kam, wurde ihr Arbeitsverhältnis nach einer Anhörung fristlos, ersatzweise fristgerecht gekündigt.

Schlaflose Nächte

Ihre hiergegen eingereichte Kündigungsschutzklage begründete die Beschäftigte damit, dass ihr Arbeitgeber vor einer Entlassung dazu verpflichtet gewesen sei, sie abzumahnen. Das sei nicht geschehen. Sie habe verschlafen, weil ihre hohe Arbeitsbelastung sich für sie auch als psychische Belastung ausgewirkt habe. In der Folge sei sie dann nicht in der Lage gewesen, private Schicksalsschläge wie den Tod ihres Vaters und die Erkrankung und Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter abzufangen.

Sie habe daher unter nächtlicher Schlaflosigkeit gelitten, was letztlich zu den Verspätungen geführt habe. Die Kündigung sei folglich auch sozial nicht gerechtfertigt. Doch dem schlossen sich weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Arbeitsgericht Flensburg noch das von der Frau in Berufung angerufene Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein an. Angesichts der Gesamtumstände hielten die Richter zwar nicht die fristlose, wohl aber die fristgerechte Entlassung für gerechtfertigt.

Private Lebensumstände

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es unstreitig, dass die Betroffene wiederholt erheblich zu spät zur Arbeit erschienen sei. Es sei auch nicht ersichtlich, wieso es ihr infolge der von ihr behaupteten Überlastung nicht möglich gewesen sei, pünktlich zu kommen. Denn ihr vereinbarter Arbeitsbeginn sei mit einer Kernzeit ab neun Uhr nicht sonderlich früh gewesen und jedem Beschäftigten ohne Weiteres zumutbar.

Im Übrigen sei der Umfang der ihr zugewiesenen Aufgaben für eine Poststelle eines Gerichts absolut üblich. Sollte die Klägerin unter Schlafmangel gelitten haben, so sei das ihren privaten Lebensumständen zuzurechnen. Dies aber könnten eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung nicht rechtfertigen.

Keine Abmahnung erforderlich

Der Arbeitgeber sei auch nicht dazu verpflichtet gewesen, sie vor Ausspruch der Kündigung erneut abzumahnen. „Denn eine Abmahnung kann im Einzelfall dann entbehrlich sein, wenn besondere Umstände belegen, dass diese nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer gar nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten“, so das Gericht.

Davon sei in dem entschiedenen Fall auszugehen. Durch ihr Verhalten habe die Frau nämlich massiv ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Dass sie keine Maßnahmen ergriffen habe, um ein erneutes Verschlafen zu verhindern, zeige, dass sie nicht ernsthaft gewillt gewesen sei, sich vertragsgerecht zu verhalten. Die Richter ließen keine Revision gegen ihre Entscheidung zu.

Gerichtsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Arbeitnehmer, die sich von ihrem Arbeitgeber ungerecht behandelt fühlen – beispielsweise, weil sie wie im genannten Fall eine Jobkündigung für ungerechtfertigt halten –, können prüfen lassen, ob das Vorgehen des Arbeitgebers rechtens ist. Wenn man allerdings einen Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht austrägt, müssen der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber in der ersten Instanz jeweils ihre eigenen Anwaltskosten selbst tragen – und zwar egal, wer den Prozess gewinnt oder verliert.

Kostenschutz für Arbeitsgerichts-Streitigkeiten bietet für Arbeitnehmer eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung. Eine solche Police übernimmt im Versicherungsfall nämlich die Kosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten, wenn der Versicherer vorab eine Deckungszusage erteilt hat. Doch auch ein Arbeitgeber kann sich mit einer Firmenrechtsschutz-Versicherung unter anderem gegen das Kostenrisiko eines Gerichtsstreits vor dem Arbeitsgericht bezüglich Streitigkeiten mit Arbeitnehmern absichern.

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