(verpd) Die Rechtsprechung geht davon aus, dass im Sinne des Beweises des ersten Anscheins ein Fahrzeugführer, der auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt, Schuld hat. Das gilt nur bei einem klassischen Auffahrunfall, hat das Landgericht Wuppertal entschieden (17 O 376/19).
Ein Mann befuhr mit seinem Pkw nachts die mittlere von drei Fahrspuren einer Autobahn, als ein anderer mit seinem Auto hinten links ihn auffuhr.
Er verlangte von dem Kfz-Haftpflichtversicherer des Aufgefahrenen den vollständigen Ersatz des ihm bei dem Unfall entstandenen Schadens. Er begründete dies damit, dass der Auffahrende im Sinne des Beweises des ersten Anscheins Schuld habe.
Der Fahrer des generischen Fahrzeugs stellte den Geschehensablauf jedoch anders dar als der Kläger. Er behauptete, dass er sich auf der linken Fahrspur der Autobahn befunden habe, um das vorausfahrende Auto zu überholen. Dieser sei jedoch plötzlich und ohne ersichtlichen Grund auf die von ihm genutzte Spur gewechselt. Der Unfall sei daher für ihn nicht zu vermeiden gewesen.
Weil jeder der Unfallbeteiligten an seiner Version des Unfallgeschehens festhielt, landete der Fall schließlich vor dem Wuppertaler Landgericht. Das hielt nach der Befragung eines Sachverständigen eine Schadenteilung für gerechtfertigt.
Der Gutachter war nämlich zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht aufzuklären war, welche der beiden Versionen des Unfallhergangs dem tatsächlichen Geschehensablauf entsprach.
Denn die Vorträge beider Parteien seien mit dem festgestellten Kollisionswinkel vereinbar. Im Übrigen müsse davon ausgegangen werden, dass sich eines der beiden Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Kollision in Schrägstellung befand.
Das Gericht zeigte sich daher davon überzeugt, dass Letzteres für eine Anwendung des Beweises des ersten Anscheins nicht ausreiche. Denn der Anscheinsbeweis könne nur auf Fälle angewandt werden, die nach der Lebenserfahrung für eine typische schuldhafte Verursachung eines Schadenereignisses sprechen würden.
In dem entschiedenen Fall könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Kollision in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel des Klägers ereignet habe. Den Beweis, Opfer eines typischen Auffahrunfalls geworden zu sein, sei er nämlich schuldig geblieben.
Wird einem Unfallbeteiligten wie im genannten Auffahrunfall eine Teilschuld am Unfall angerechnet, erhält er den Schaden seines beschädigten Wagens nur teilweise (anteilig) bezahlt. Die Restkosten muss er aus der eigenen Tasche begleichen. Kostenschutz bietet hier eine bestehende Vollkasko-Versicherung. Sie zahlt nämlich unter anderem für Unfallschäden am Fahrzeug, für die ein anderer nicht oder nur anteilig haftet.
Wer jedoch die eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt, muss mit einer Schlechterstellung des Schadenfreiheitsrabatts (SFR) in der Vollkasko rechnen. Damit steigt in der Regel im nächsten Jahr der Beitrag für den Vollkaskoschutz. Ob es günstiger wäre, einen (Rest-)Schaden am eigenen Pkw selbst zu bezahlen, kann beim Kaskoversicherer oder beim Vermittler erfragt werden.
Bei einer Teilschuld muss zudem die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung anteilig die Schadenkosten des oder der anderen mitschuldigen Unfallbeteiligten übernehmen. Deswegen kommt es auch hier, egal ob man einen Unfall allein oder nur zum Teil mit verursacht hat, im darauffolgenden Kalenderjahr meist zu einer Schlechterstellung des SFR in der Kfz-Haftpflichtversicherung und damit unter Umständen ebenfalls zu einer Beitragserhöhung.